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29. August 2007, 08:17 UhrGold
"Auch nach 5000 Jahren die Nummer eins"
Von Arne Gottschalck
Eigentlich ist Gold der Stoff, der ein Portfolio absichert. Wenn alle Aktien wanken, gewinnt das Metall an Wert. Eigentlich - denn aktuell ist alles ganz anders. Warum, erklärt der Goldexperte Martin Siegel.
mm.de: Gold gilt als sicherer Hafen in unruhigen Zeiten, aber aktuell haben nicht nur Dax und Co., sondern auch Gold verloren. Woran liegt das?
Siegel: Nun, der Goldpreis hat sich relativ gesehen viel besser entwickelt. Außerdem wurde in den Goldmarkt sicherlich gezielt eingegriffen über Derivate und über Verkäufe der Zentralbanken, zum Beispiel der Schweiz und möglicherweise Italien.
mm.de: Gibt es dann wenigstens eine "Nachhol-Rallye"?
Siegel: Die Geldhähne sind aufgedreht. Die Inflationierung der Schulden beginnt. Für Gold verbessert sich damit die strategische Ausgangslage deutlich.
mm.de: Müssen wir komplett umdenken und einen neuen "sicheren Hafen" suchen, zum Beispiel nach anderen Edelmetallen?
Siegel: Nein. Gold bleibt auch nach 5000 Jahren die Nummer eins.
mm.de: Welche Rolle spielt eigentlich der Trend zur Verbriefung wie zum Beispiel durch Goldzertifikate - hat der schon Einfluss auf den Goldpreis?
Siegel: Ohne diese Papiere wäre der Goldpreis längst über die 1000 Dollar pro Feinunze gestiegen. Hätten die Anleger physisches Gold statt dieser Papiere gekauft, wäre der physische Markt wahrscheinlich schon zusammengebrochen.
Es wurde mehr Gold auf Papier verkauft, als tatsächlich physisch vorhanden ist. Erst kürzlich wurde bekannt, dass Morgan Stanley zwar ihren Anlegern Lagergebühren für physisch erworbenes Gold abgenommen hat, das Geld der Kunden aber anderweitig investiert hat (vielleicht noch nicht einmal in Papiergold).
mm.de: Wann werden wir die Rückkehr zum "normalen Verhalten" von Gold sehen?
Siegel: Gar nicht mehr. Es wird eine weitere Eskalation geben, auf deren Höhepunkt die verschleppten Konkurse der Banken abgewickelt werden. Und möglicherweise gibt es einen neuen Weltkrieg, zwischen Indien, Pakistan und Iran.
mm.de: Was treiben eigentlich die Goldinvestoren?
Siegel: Derzeit wird strategisch umgedacht. Die Anleger kaufen keine Investmentpositionen mehr, sondern schichten gezielt größere Vermögensanteile in Gold um. Der Umsatz für Goldmünzen dürfte sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt haben. Teilweise gibt es im Großhandel keine Lagerbestände mehr.
mm.de: Tatsächlich gibt es immer wieder Stimmen, die sagen, man solle physisches Gold kaufen - was halten Sie davon?
Siegel: Physisches Gold gehört zwingend zu jedem Vermögen. Die einzige Gefahr für den physischen Goldbesitz ist die kriminelle Energie der Regierungen, die das Gold in einer Finanzkrise - und die steht ja spürbar bevor - beschlagnahmen oder zwangsweise in Papier tauschen lässt.
mm.de: Gold wird auch als Inflationsschutz angepriesen - für wie wahrscheinlich halten Sie so etwas?
Siegel: 100 Prozent.
mm.de: Kann Gold vom allgemeinen Misstrauen in die Börse profitieren - oder trifft das nur das physische Gold?
Siegel: Der Goldpreis wird bestimmt vom Vertrauen in das Papiergeldsystem und ist relativ unabhängig von der Börse. Kurzfristig sind negative Einflüsse der Börse auf Goldminenaktien möglich. Längerfristig profitieren die Unternehmensanteile der Industrieunternehmen und Gold parallel von der Geldentwertung.
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