Prof. Dr. Trevor Evans, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule für Wirtschaft in Berlin über die aktuelle Finanzmarktkrise in einer Veranstaltung an der VHS in Herford:

Zusammenfassung: Im 19. Jahrhundert kam es immer wieder zu Krisen, die auf eine übermäßige Kreditausweitung zurückzuführen waren und sich bis zur Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1934 immer weiter aufgeschaukelt haben. In der Zeit zwischen 1940 bis 1970 kam es wegen der starken Regulierung der Banken zu einer stabilen Wirtschaftsentwicklung. Die 80er und 90er Jahre waren von einer starken Deregulierung des Bankensektors geprägt. Es entstanden Subprime Hypotheken, Verbriefungen sowie ein Schattenbankensystem mit Investmentbanken, Hedgefonds und Zweckgesellschaften. In der EU wurden die Banken ab 1999 zunehmend nach dem US-Vorbild, das zu starken Wachstumsraten geführt hat, dereguliert. Die Entwicklung führte zu einer übermäßigen Kreditausweitung und einem Anstieg der Immobilienpreise in den USA. Die Hauspreisblase endete in den USA Ende 2006. Am 9. August 2007 trocknete der Geldmarkt aus und am 15. September ließ man Lehman pleite gehen, was Evans für einen großen Fehler hält, da dem gesamten Bankensystem dadurch ein Zusammenbruch durch einen Dominoeffekt gedroht hat.

Evans erkennt für die Zukunft keine Inflationsgefahren. Er geht davon aus, dass die US-Wirtschaft wieder wachsen wird, wenn die Banken wieder anfangen Kredite zu vergeben. Die Zentralbanken holen ihr Geld dann wieder zurück und die Staaten können die Beteiligungen an den Banken später eventuell sogar mit Gewinnen wieder verkaufen. Fast möchte man hinzufügen, dass Steinbrück den Haushalt 2011 doch noch ausgleichen kann.

Prof. Dr. Trevor Evans erklärt die Entwicklung zur Finanzkrise ohne Erwähnung des Goldstandards bis 1914, ohne den 2. Weltkrieg und ohne das Bretton Woods Abkommen. Die 70er Jahre läßt er ebenfalls aus. Die Geldpolitik wird bei der Analyse komplett ausgeblendet und nicht ein einziges Mal erwähnt. Das Papiergeldsystem wird in keiner Weise und an keiner Stelle in Frage gestellt. Die Lösung der aktuellen Probleme sieht er in einer starken Regulierung und eventuellen Verstaatlichung der Banken in Verbindung mit festen Wechselkursen. Auf die Frage, ob es aus der Sicht des Wohlstands der Bevölkerung nicht sinnvoller sein könnte, die maroden Teile des Bankensystems in einem Konkursverfahren abzuwickeln und die funktionierenden Teile des Bankensystems zu erhalten, antwortet Evans, dass dies nicht möglich sei, da bei der Abwicklung der maroden Teile des Bankensystem die 70.000 Mrd $ große Derivateblase platzen würde, was durch einen Dominoeffekt das gesamte Bankensystem in den Abgrund reißen würde.

Kommentar: Es ist schon unglaublich, wie ein Wirtschaftsprofessor im Hinblick auf die aktuelle Entwicklung keine Inflationsgefahren erkennen kann. In Island, das wegen der starken Gewichtung des Bankensektors beim Pseudowachstum der letzten Jahre in der Entwicklung jetzt vorangeht, wird das BIP 2009 um etwa 10% rückläufig sein. Die Arbeitslosenquote ist innerhalb von 12 Monaten von 1 auf 7% und die Inflationsrate auf 10% gestiegen. Am 12.01.09 kaufte das Finanzministerium 25% der Commerzbank im Namen der Bundesbürger. Für 221,5 Mio Aktien wurden insgesamt 18,2 Mrd Euro bezahlt. Damit wurden für jeden Bundesbürger 4 Commerzbank Aktien im Gegenwert von 82 Euro/Aktie gekauft.

Wie diese Aktien (aktueller Wert 3,40 Euro) mit einem Gewinn verkauft werden sollen, ohne dass es zu einer inflationären Entwicklung kommt, bleibt ein ungelöstes Rätsel der präsentierten Wissenschaft. Welcher volkswirtschaftliche Sinn die Erhaltung einer 70.000 Mrd $ großen Derivateblase hat, blieb dem Publikum ebenfalls unerschlossen. Die Frage, an wen die US-Banken denn überhaupt Kredite vergeben sollen, um die Krise zu überwinden, blieb ebenfalls unbeantwortet. Etwa an arbeitslos gewordene Arbeiter der Automobilindustrie, die damit Immobilien finanzieren? Das Problem der zukünftigen Belastung der Steuerzahler durch die enorme kreditfinanzierte Umschichtung von Vermögen in den maroden Bankensektor scheint ebenfalls von der Wissenschaft vollständig ignoriert zu werden. Klar wurde jedenfalls, dass die Wissenschaft meilenweit von einer konstruktiven Lösung des Problems des zusammengebrochenen Papiergeldsystems entfernt ist.